Eine systemische Sichtweise als Grundlage erfolgreicher Heimerziehung

Die Verhaltensweisen, die Eltern sowie Kinder in den Familien entwickelt haben, sehen wir als Lösungsversuche, die in einer schwierigen Lebenssituation entstanden sind. Wir kennen an, dass die Eltern mit dieser Situation nicht mehr zufrieden sind und etwas ändern wollen. Heimunterbringung ist in der Regel mit dem Wunsch verbunden, dass das Kind, das als Symptomträger gilt, sich ändern soll. Jedoch ist es meistens nötig, dass auch die Eltern aktiv ihren Teil dazu beitragen. Wir appellieren an die Einsicht und die Bereitschaft der Eltern, mitzumachen und neue, nützliche Strategien für ein zufriedeneres und somit auch glücklicheres Familienleben zu erlernen. Wir helfen gerne dabei. Wir wollen Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen, ohne sie von ihren Wurzeln abzuschneiden, denn wir wissen, dass die Kinder stärker an die Herkunftsfamilie gebunden sind, als es für Außenstehende vorstellbar ist. Diese Bindungen und Loyalitäten können die Kinder in Konflikte bringen. Die Kinder werden sich nicht auf unser Angebot einlassen können und nicht ernsthaft mit uns zusammenarbeiten, wenn wir die Gegebenheiten in den Familien nicht kennen und in unserer Arbeit berücksichtigen. Die internen Prozesse des Heims gleichen den internen Prozessen der Familie.

Dies bietet Chancen, birgt aber auch Gefahren:

  • Denn auch Mitarbeiter im Heim sind manchmal überfordert, z.B. durch Schicht- und Wochenendarbeit. Sie haben die gleichen Gefühle wie die Eltern bei psychischer und physischer Überforderung
  • Auch im Heim kann es offene und verdeckte Konflikte zwischen den Mitarbeitern und Vorgesetzten geben, genau wie es zwischen Familienmitgliedern der Fall ist
  • Auch von Erziehern und Therapeuten können diffuse oder zu starre Grenzen gesetzt werden und auch das entspricht oft den Gegebenheiten zu Hause. Es handeln nicht nur die Eltern, sondern oft auch Großeltern, geschiedene Ehepartner und andere Personen, die in der Familie mitreden, je nachdem inkonsequent, für das Kind unklar, autoritär oder nachlässig. Kinder kennen diese Phänomene und haben gelernt, hier mit zu spielen und dies für sich zu nutzen

Wenn wir uns dessen bewusst sind und es uns gelingt, mit diesen Gegebenheiten konstruktiv umzugehen, bekommen die Kinder im Heim die Möglichkeit, andere Handlungsmodelle zu erfahren und können lernen, anders damit um zu gehen.

Ein weiterer Aspekt spielt eine große Rolle für das Gelingen der Heimerziehung. Alle beteiligten Stellen, wie Jugendamt, Schule, Lehrstelle, Ärzte, aber auch Verwandte, Pflegefamilie usw. müssen ganz konkret an der Erarbeitung von Lösungen mit einbezogen werden. Das Treffen von verbindlichen Vereinbarungen sowie die Überprüfung der Durchführung ist notwendig. Nach unseren Erfahrungen kann es den gesamten Hilfeprozess gefährden, wenn eine Stelle außer Acht gelassen wird.

Nicht alles ist planbar. Wir können Anstöße geben, flexibel reagieren und Krisen als Chancen begreifen. Alle Kinder streben danach, sich vorwärts zu entwickeln. Sie wollen lebenstüchtig und erwachsen werden und verwenden viel Energie darauf. In ihnen etwas zu säen, was vielleicht erst viel später wächst und gedeiht, gibt uns in aller Bescheidenheit Hoffnung, dass nichts umsonst geschieht.

Elternarbeit

Die Arbeit mit den Eltern ist in unserer Einrichtung ein unverzichtbarer Ansatz und ein integraler Bestandteil der stationären Kinder- und Jugendhilfe. Dazu gehört – aus der systemischen Betrachtungsweise heraus – die in den Familien und ihren Beziehungen und ihrem Umfeld liegenden Ressourcen zu erkennen und mit ihnen zusammen zu arbeiten.

Zielsetzung ist es, die Eltern in Kontakt und Verantwortung für ihr Kind zu halten, sie dabei zu stärken und in die Arbeit mit dem Kind oder Jugendlichen einzubeziehen.

Wenn perspektivisch das Richtungsziel die Rückführung in die Herkunftsfamilie ist, sind durch die Elternarbeit die dafür notwendigen und förderlichen Bedingungen in der Familie anzuregen.

Wer Veränderungen erreichen will, muss mit den Eltern arbeiten und nicht gegen sie.